Interview über Nachhaltigkeit mit Lars Reimann

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich? / Nachhaltigkeit ist ein umfassender Begriff - was verstehst Du darunter?
Im Studium habe ich gelernt, dass Nachhaltigkeit ein Gleichklang aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten ist. Das Modell wird auch stark in  der Forstwirtschaft verwendet und sagt so viel, dass man nie mehr verbrauchen soll, als nachwächst. Quasi von den Zinsen, als vom Bestand zu leben. Mit beiden Begriffsdefinitionen kann ich was anfangen, sowohl im privaten, als auch unternehmerisch. Wichtig ist für mich, sich immer vor Augen zu halten, dass wir in sehr vielen Bereichen endliche Ressourcen haben. Meine Kinder verstehen das schon besser als manch Erwachsener oder die Politik. ;-) 


Wie lässt sich ein nachhaltiger Lebensstil Schritt für Schritt in den Alltag integrieren und was tust Du schon ganz konkret, um Deinen Alltag nachhaltiger zu gestalten? Wir sind gespannt auf Deine Tipps.
Oh ja, da gibt es sehr viel was man tun kann. Ich finde es wichtig, Nachhaltigkeit aus Überzeugung in den Alltag zu integrieren, dann macht es auch Spaß und ist gesund. So ein paar Beispiele: Ich selbst ernähre mich pflanzlich, verzichte seit Jahren bei Shampoo und Duschbad auf Plastikflaschen – ich schwöre auf Seifen! 100% Naturstrom nutzen wir seit mehr als zehn Jahren und machen auch seit Jahren keine Inlandsflüge mehr. Da die Bahn sowohl preislich, als auch von der Zuverlässigkeit her, noch sehr unattraktiv ist, fahre ich lieber mit dem Auto. Seit einem halben Jahr aber auch überwiegend elektrisch. Wir essen hauptsächlich Bio und soweit es geht auch regional. Sowohl zu Hause, als auch im Office gibt es Wasser nur gefiltert aus dem Hahn. Keine Flaschen. Macht auch keinen Sinn, wenn ich überlege wieviel ein Liter Wasser aus der Flasche kostet und ein Kubikmeter aus dem Hahn ;-) Es gäbe noch viele weitere Dinge, aber ich denke, vieles davon kann fast jeder umsetzen und dabei die Umwelt schonen und seiner Gesundheit was Gutes tun.

Was motiviert Dich, Dich nicht nur persönlich sondern gerade auch beruflich für Nachhaltigkeit einzusetzen?
Ganz einfach, ich habe Kinder und wir haben Kunden. Kinder haben bis sie erwachsen sind, kaum Möglichkeiten auf die “Sünden” der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Wo es geht möchte ich Vorbild sein, aufklären und Erfahrungen weitergeben. Und den Großteil unserer Kunden würde ich zu den bewussten Einkäufern zählen. Wir werden zum Beispiel oft gefragt, wo unsere Materialien herkommen und was mit Retouren passiert. Das zeigt einerseits Interesse und motiviert uns wiederum, unser eigenes Handeln zu hinterfragen und uns ständig zu verbessern. Und ganz ehrlich: Das geht und macht Spaß!

Die Unternehmensstrategie bei mySheepi stellt nachhaltiges Wachstum und ressourcenschonende Prozesse in den Mittelpunkt. Was sind die wichtigsten Handlungsfelder? 
Wie eben erwähnt, befinden wir uns im ständigen Wandel. Irgendwann fängt man mal an und hofft, dass das Geschäftsmodell fliegt und dann geht es an die Optimierung. Früher haben wir noch in Plastik verpackt, heute ist das kein Thema mehr: wir haben vieles aus recycelten Materialien und versuchen fast alles aus den Retourenprozessen wieder in den Wertstoffkreislauf zu geben. Genau das ist unser Motto: nichts wegwerfen, das sind alles Rohstoffe. So schauen wir jeden Tag kritisch auf unsere Prozesse und unser Handeln.

Nachhaltigkeit bedeutet für uns, ökonomisch und ökologisch einen umweltfreundlichen Weg zu gehen und dabei stets nach neuen Lösungen Ausschau zu halten. Wir möchten Ressourcen sparen und fair handeln.

Und unter einer nachhaltigen Unternehmensstrategie verstehe ich eine Balance im Dreiklang aus Kundenzufriedenheit, gesellschaftlicher Verantwortung und Firmenkultur. 

Plastik ist ein Thema, das gesellschaftlich viel diskutiert wird. Ihr greift die Thematik mit mySheepi auch auf. Doch wie passen Plastik und Kopfkissen zusammen? 
Geschätzt 90% aller am Markt befindlichen Kissen werden mit einer sog. Hohlfaser als Füllung hergestellt. Dabei handelt es sich um eine synthetische Faser aus dem Rohmaterial Plastik (ich vermeide hier die Fachbegriffe für die Grundstoffe, so versteht es jeder am besten). Diese Hohlfaser ist langlebig, allergikerfreundlich, vegan und erhält sehr lange die Bauschigkeit des Kissens. 
Unsere Frage war also, wenn auch der Großteil unserer Kunden auf diese Füllung zurückgreift – das war ja unsere Erfahrung der ersten 1,5 Jahre von mySheepi – wie gehen wir damit um? Weglassen und durch Alternativen ersetzen? Neudenken! Mit Advansa haben wir einen großen Produzenten gefunden, der unsere Idee teilt: Gemeinsam unterstützen wir Plastic Bank, ein weltweites Projekt, das aus gesammeltem Plastik, z.B. aus meeresnahen Regionen Indonesiens, diese Kissen-Hohlfaser neu produziert. So wirken wir einem gesellschaftlichen Problem entgegen  und haben eine sinnvolle Lösung für unsere synthetische und allseits beliebte Füllung gefunden. Selbstverständlich unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards.

Damit aber nicht genug.  

Für mich war immer klar, wenn wir es möglich machen können, geben wir etwas zurück. Von jedem verkauften Kissen geben wir einen Teil in unseren mySheepi Nachhaltigkeitsfond und unterstützen damit Projekte und Aktionen. Aktuell im Bereich Plastik z.B. OneEathOneOcean (OOEO) -- ein Verein, der das Ziel verfolgt, die Gewässer weltweit von Plastikmüll, aber auch Öl und Schadstoffen zu befreien. Als dritten Punkt sorgen wir außerdem noch dafür, dass von uns verwendetes Plastik nicht einfach weggeschmissen wird. Allen Produkten, die als Retouren zurück kommen, geben wir ein 3. Leben (z.B. als Dämmmatten, Nähgarn etc). 

Zusammengefasst schließt sich so also der Kreis:
Mit der Unterstützung von Plastic Bank verhindern wir die “Neu”-Produktion von Plastik und begünstigen die Plastik-Befreiung meeresnaher Regionen. Je verkauftem Kissen spenden wir außerdem einen Betrag an OEOO und setzen uns so auch für die Säuberung unserer Meere ein, beides in der Hoffnung, dass bald sowohl die Meere, die Strände und das Land frei(er) von Plastik sind. Unser Umgang mit Retouren (der stets weiter optimiert wird) zeigt auch, dass es uns ein Herzensthema ist, bereits weiterverwendetes Plastik erneut weiterzuverwenden - die Langlebigkeit des Rohstoffs kann, geschickt genutzt, so auch ein Segen sein. 

Welche Projekte und Aktionen unterstützt ihr sonst noch?
Neben den eben genannten veranstalten wir am BlackFriday immer unseren SleepWellFriday und unterstützen aus den Erlösen an diesem Tag Berliner Wohltätigkeitsprojekte. Außerdem hat sich das Team dazu entschieden, dieses Jahr an Events, wie beispielsweise dem Clean-Up Day teilzunehmen. 

Ich bin sehr stolz, dass unser gesamtes Team vollständig hinter unseren Projekten steht und die Ideen mit Leidenschaft verfolgt und umsetzt. Die oben genannten Projekte und ständig neue Ideen stammen übrigens auch aus dem Team;-)

War mySheepi von Anfang an ein "nachhaltiges Unternehmen"? Was hat Euch dazu bewegt, ein grünes Unternehmen aufzubauen?
Ich meine, das ist eine Frage des Mindsets. Es war nicht Teil des Business Plans, ein grünes Unternehmen aufzubauen. Da aber sowohl ich, als auch das damals noch kleine Team, ein sehr nachhaltiges Mindset hat, schaut man ständig, wo man optimieren und verbessern kann. Heute ist das Teil unserer DNA. 

Wie misst Du Nachhaltigkeit bei mySheepi? 
Uhh, interessante Frage… Ich weiß zwar, dass es Tools und Methoden gibt, mit denen man Nachhaltigkeitsindikatoren misst, aber die setzen wir (noch) nicht ein. Sollten wir später einmal ein Zertifikat anstreben o.ä. kann sowas zum Einsatz kommen. Im Moment fragen wir uns ständig selbst, wo wir noch besser werden können und tun es dann einfach. Auch hier wieder: Wenn der Drang nach ständiger Verbesserung Teil deiner DNA ist, ist das ein fortlaufender Prozess, bei dem man nicht ständig hinterfragen muss, ob auch was passiert.

Was macht Eure Produkte nachhaltig?
Auf der Verpackungsseite kann ich es kurz zusammenfassen - wir nutzen ausschließlich recyceltes Material. Alle Stoffe sind ÖkoTex zertifiziert und damit schadstoffrei. Die Thematik unserer Basisfüllung Medline habe ich oben schon erläutert.  Ein großer Vorteil unserer Kissen ist, dass sie individuell befüllt werden können. So kann man, wenn man doch etwas mehr Natürlichkeit im Kissen bevorzugt wird sich sein Kissen z.B. Schafwolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung oder aber Kapok, Dinkel und Hirse, aus kontrolliert biologischem Anbau, füllen.

Wichtig zu erwähnen ist, dass wir den Großteil der Produktion und Verarbeitung in Deutschland haben und Teile aus dem europäischen Nachbarland zuliefern lassen. Spart Transportwege, -kosten und bleibt in der europäischen Gemeinschaft.

Wie sieht der Auswahlprozess bei Kooperationspartnern, Lieferanten etc. aus? Werden sie von euch auch auf ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und -einstellung geprüft? 
Im Moment führen wir ausschließlich individuelle Gespräche und schauen, ob die Kooperationspartner zu uns passen. Wenn wir zukünftig auch mehr im B2B-Bereich kooperieren wollen, werden wir verbindliche und standardisierte Kriterien festlegen müssen. Daran arbeiten wir bereits.

Wie viele Kissen werden im Schnitt retourniert (interessant wäre: geringe Retouren, weil bewusstere Entscheidung)? Und was passiert mit den Retouren?
Wir schwanken bei den Retouren immer zwischen dem ein- bis zweistelligen Bereich. Dauerhaft einstellig ist unser Ziel. Dazu nehmen wir uns viel Zeit, um die Gründe zu hinterfragen und die Kommunikation anzupassen. 
Wie bereits erwähnt, sehen wir retournierte Kissen als Rohstoff und bringen diese in den Wertstoffkreislauf zurück. Bis dato gehen die Reste in die Automobilwirtschaft und werden dort z.B. zu Dämmmaterial verarbeitet. Aktuell sprechen wir mit Unternehmen, die die Baumwolle sogar wieder zu Garn verarbeiten können. Ich fände es richtig geil, wenn dieses Garn wieder den Weg zu unseren Produzenten findet und daraus das nächste mySheepi produziert wird!
Gebt ihr euren Mitarbeitern aktive Anreize zu einem nachhaltigen Unternehmen beizutragen? Wie sieht das in der Praxis aus?

Ich glaube, dass jeder im Team stolz darauf ist, in einem Unternehmen mit der Ausrichtung zu arbeiten und jeder trägt seinen Teil dazu bei. So entwickeln wir uns immer weiter. Über Anreize habe ich noch nicht nachgedacht, werde ich aber dringend mal tun;-)

Wie gestaltet ihr euren Arbeitsalltag (Office, Home-Office..), um auch dort auf Nachhaltigkeit zu achten?
Die aktuelle Situation hat es ja erfordert, auf HomeOfficeFirst umzustellen. Das war für uns kein Problem, da wir das vorher auch schon so gelebt haben. 
Wir haben eine ReadingHour eingeführt, in der sich jeder bewusst von seinen Arbeitsthemen zurücknehmen soll und sich mit anderen Themen für persönliches oder fachliches Wachstum beschäftigen soll. 

Auch machen wir Achtsamkeitstrainings, um allen auch hier die Türen für persönliche und mentale Weiterentwicklung zu geben. Und, nicht zu vergessen, Mittwochs kocht ein 2er-Team ein veganes Essen. 

Welche Ziele hat sich mySheepi gesetzt, um im Bereich Nachhaltigkeit weiter zu wachsen?
Ich denke hier gibt es immer wieder neue Ideen, die wir heute noch gar nicht kennen, aber für uns evaluieren und ggf. umsetzen, wenn wir sie finden. Wie gesagt, für uns ist es einfach selbstverständlich uns selbst immer wieder zu hinterfragen und Dinge zu optimieren. Fragt mich doch gern in einem Jahr noch mal und ich kann euch berichten, was bis dahin alles Gutes bei mySheepi passiert ist;-)

Es gibt viele Kissen-Hersteller, von denen sich auch einige für Nachhaltigkeit einsetzen. Was macht mySheepi anders?
Interessante Frage, weiß gar nicht, was die anderen machen. Vielleicht ist all das, was ich hier erzählt habe, bereits Standard bei anderen Herstellern. 
Meiner Meinung nach geht es – besonders bei diesem Thema – nicht um Vergleiche, wer macht mehr oder etwas besser. Nachhaltigkeit sollte kein Wettbewerbsthema sein, sondern zur unternehmerischen Verantwortung eines jeden Unternehmens dazugehören. Dazu passt das Zitat von Kästner: “Es gibt nichts Gutes: außer man tut es.”